Es gibt drei Beziehungstypen in der Beratung (laut den Psychotherapeuten Steve de Shazer und Insoo Kim Berg). Der Type der Beziehung hat Einfluss auf unsere Beratungsmöglichkeiten und Grenzen:
1. Besucher
Ein Besucher ist jemand, der im Auftrag von Dritten (Ehepartner, Eltern, Schule, Verein, Institution…) kommt, also geschickt wurde. Er folgt einer Auflage, Aufforderung oder Empfehlung Er sieht in seinem Verhalten und in seiner Person kein Problem. Da ihn nichts stört, hat er auch kein Ziel, etwas zu ändern.
Beispiel: Ihr habt Probleme mit den Wutausbrüchen eures Mannes und schickt ihn zu einer Beratung.
Der Besucher ist der Meinung, dass es für ihn gar kein Problem darstellt und eher jemand anders ein Problem mit ihm hat. Berater und Besucher finden am Ende einer Sitzung kein Problem und kein Ziel, an dem gemeinsam gearbeitet werden soll. Wenn Berater und der Besucher am Ende des Gespräches kein Ziel gefunden haben, kann man ihn trotzdem bestätigen „Gut, dass Sie gekommen sind“.
Eine Beratung kann so nicht stattfinden. Da der Besucher der Meinung ist, kein Problem zu haben, würde er jegliche Einflussnahme von unserer Seite als übergriffig erleben.
Luc Isebaert (Isebaert/van Coillie 2005:68) schreibt: „Wenn wir versuchen, Patienten zu helfen, die keinen Hilfswunsch haben, werden wir nur Widerstand auslösen. Je mehr wir uns anstrengen, Rat zu geben und Hilfe zu bieten, desto mehr Widerstand werden sie leisten.“
2. Klagender
Ein Klagender hat ein Ziel oder eine Klage über etwas. Er sieht aber nicht die Schritte, um es zu erreichen. Der Klagende ist gut darin, sein Problem oder sein Ziel ausführlich zu beschreiben. Er sieht sich jedoch nicht zwingend als einen Teil der Lösung, sondern als Opfer an. Er ist der Meinung, dass die Hilfe von außen kommen muss, bzw. er hat die Erwartungshaltung, dass jemand anderes sich ändern muss. Aus dieser Opferrolle heraus kann der Klagende nicht handeln. Der Klagende braucht in erster Linie einen Zuhörer und ganz viel Würdigung für sein Problem. Und er braucht Verständnis dafür, er das Problem bislang nicht selbst lösen konnte, weil es eben so schwer ist.
Was könnt ihr da tun? Nur zuhören – bis zu einem gewissen Grad – und eventuell gar nichts tun, vielleicht will das Gegenüber nur Luft ablassen! Respektvoller und anerkennender Umgang: Kompliment machen „Gut, dass Sie gekommen sind.“ Bietet ein Gespräche an: „Sollen wir mal überlegen, was wir da machen können?“
Zu einem Kunden verwandelt sich der Klagende, wenn er eine Idee bekommt, was er dazu beitragen kann, die Situation aktiv zum Positiven zu verändern.
3. Kunde
Ein Kunde ist der bestmögliche Beziehungstyp. Er hat ein klares Ziel oder Problem. Er sieht sich als Teil der Lösung und ist bereit, etwas zur Lösung des Problems zu tun. Kunden sind meist sehr motiviert.
Beispiele:
Eine Mutter kommt zu euch und fragt euch, wo genau sie ein Laptop für ihren Sohn ausleihen kann, wie das geht und ob ihr ihr dabei helfen könnt
Ein Vater bittet euch um Unterstützung, er hat Probleme mit der Lehrerin, sie beschwert sich, dass seine Tochter keine Hausaufgaben macht
Solche Gespräche und Beratungen klappen meistens sehr gut. Alle haben das Gefühl, wirksam zu sein und an einem Strang zu ziehen.
Die 50% Regel
Damit die Zusammenarbeit gut funktioniert, macht euch klar, wer euer Gegenüber ist. Wie motiviert ist er, das Problem zu lösen? Mindestens 50% der Energie zur Problemlösung muss beim Gesprächspartner liegen („Um wessen Problem geht es eigentlich?“). Sonst kann es sein, dass ihr mehr Energie in die Begleitung und die Lösung des Problems steckt, als euer Gegenüber.
Bildquellen
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