Was tun, wenn es eskaliert?

Erinnert euch an Familie Nowak aus dem ersten Modul. Luca, der sich mit einem Schild schützt und zurückzieht während um ihn herum auf ihn eingedroschen wird? In dieser Situation ist wahrscheinlich kein Gespräch möglich.

Römische Soldaten im Kampf

Während einer Eskalation gibt es nur noch Schutz. Ein Eingreifen ist nur vorher oder nachher möglich. Schaut in dieser Situation:

  • Wer oder was braucht Schutz?
  • Geht selbst aus der Schusslinie.
  • Gespräche sind nicht möglich, vermeidet Diskussionen.

Nach einer Eskalation:

  • Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist!
  • Stellt Öffentlichkeit her.
  • Bildet und nutzt Netzwerke.

Strategie 1: Nicht selbst hineingezogen werden

Bedeutet, sich nicht in einen Konflikt oder Eskalation hineinziehen lassen, indem man Provokationen widersteht, Konfrontationen vermeidet und Abstand gewinnt.

  • Empathisches Schweigen
  • Verzögern durch Pausen

Eltern sollten vermeiden:

  • sich in eine Eskalation hineinziehen zu lassen
  • zu „predigen“, erklären, immer wieder das selbe sagen, drohen, anschreien, debattieren

Selbststeuerung
Erwachsene haben Knöpfe, hinter denen sich große Gefühle verstecken (wie Ärger, Scham oder Hilflosigkeit). Durch das Drücken dieser Knöpfe werden Gefühle ausgelöst. Darüber steuern Jugendliche den Erwachsenen, wie bei einer Fernbedienung. Die Eltern geben die Fernbedienung für sich an den Jugendlichen ab, der mit den Knöpfen herumspielt. Selbststeuerung bedeutet, die Fernbedienung nicht aus der Hand zu geben.

  • Impuls wahrnehmen: Jemand (ich) könnte in eine Eskalation hineingezogen werden.
  • Kenntnis der 5 besondere Knöpfe: Angst, Scham, Schuld, Wut, Ohnmacht (meine Fernbedienung) Beispiel: mein 15-jähriger Sohn gibt mir die Schuld für seine schlechte Mathenote. Ich hätte nie Zeit mit ihm zu lernen. Ich fühle mich schuldig und schon hat mein Sohn die Verantwortung der schlechten Note und des schlechten Gefühls los, dafür fühle ich mich schlecht und schuldig. Wenn das der Junge einmal versteht, wird er immer diese Taste auf der Fernbedienung drücken. Da hilft es, sich darüber klar zu werden: wer hat hier die Verantwortung für das Lernen? Wenn mein Sohn Mathenachhilfe braucht, kann ich ihm Angebote machen (morgen Abend, Samstag morgen) oder aber ich bin bereit, für eine Nachhilfe zu bezahlen (das liegt in meiner Verantwortung)
  • Tempo verzögern: durchatmen, auf 10 zählen,…
  • Enstpannung: Selbstwahrnehmung, Mantren, Rituale, Entspannungstechniken
  • Sich Zeit geben: Wissen, dass man Marathon läuft und keine Sprints. „Das ist mir wichtig, ich bleibe am Thema dran, dass du deine Hausaufgaben machst. Auch wenn ich jetzt noch nicht weiß, wie.“
  • Selbstreflexion: Was sind meine Gefühle und meine Verantwortlichkeit? Wie reagiere ich?
  • Verantwortung übernehmen für Prozess, Werte: Entschiedenheit. Klarheit darüber, was ist meine Aufgabe. Ankündigung, was ich tun werde. 

Die Selbststeuerung gibt mir die Möglichkeit aus dem Konflikt auszusteigen, anders zu reagieren und die Beziehung zu meinem Gegenüber zu stabilisieren!

Strategie 2: Aufschub 

Für alle Beteiligten ist es wichtig, sich selbst die Erlaubnis zu geben, darüber nachzudenken und nicht sofort reagieren zu müssen. In dieser Zeit kann man sich Unterstützung suchen und in Ruhe über die Situation nachdenken. Indem andere Stellen zur Unterstützung geholt werden,

Eltern meinen oft, dass Hlfe holen bedeutet, dass man es alleine nicht geschafft hat und man das Schild „schlechte Eltern“ umgehängt hat. Sie scheuen oft die Öffentlichkeit. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Wer Hilfe und Unterstützung annimmt zeigt große Stärke. Das solltet ihr den Familien immer wieder vermitteln.

Öffentlichkeit herzustellen ist ein wichtiger und mutiger Schritt und der erste Schritt zur Lösung des Problemes. Öffentlichkeit bedeutet nicht, dass ich in der Tageszeitung über meine Probleme rede, sondern mit einer hilfreichen Öffentlichkeit. Leute, die mir helfen und mich unterstützen können.

Angenommen im Familiensystem gibt es über eine längere Zeit schon schwierige Probleme zwischen den Familienmitgliedern. Dann reduziert sich die Zahl der Personen, mit denen man darüber spricht. Isolation aber ist der Nährboden für Gewalt. Die Isolation aufzubrechen ist notwendig für Schutz. Daher ist es wichtig, Hilfe und Unterstützung zu holen und Unterstützungsnetzwerke zu bilden (Modul 8). Wichtig ist dabei, dass ich transparent sage, wie ich vorgehen werde mit der Erlaubnis aller Beteiligten.   

Lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern

Frau spricht mit Mädchen

Schulprobleme: Schulunlust, Schulverweigerung und Schulphobie

Klärung der Begriffe

Die Schulphobie wird als eine „emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters“ eingestuft. Hier steht die Angst im Vordergrund. Oft wird das daran deutlich, dass die Probleme am Vorabend anfangen. Das Kind hat Angst vor der Schule insgesamt oder vor einzelnen Teilen, etwa vor bestimmten Kindern, Lehrern oder vor bestimmten Situationen wie z.B. dem Turnunterricht. Wie alle Trennungsängste wird die Schulphobie oft von körperlichen Beschwerden begleitet: Bauch- und Kopfschmerzen, Übelkeit, Herzrasen/Herzklopfen, Erbrechen. In den Situationen zeigen Kinder häufig Schweißausbrüche, Erröten, Zittern, Schwächegefühl, Schlafstörungen, Muskelverspannung. Diese Symptome können vorgeschoben werden, um den Schulbesuch zu vermeiden. Je länger das Kind nicht in der Schule ist, desto schwieriger wird die Rückkehr. Beim Kind wächst die soziale Isolationen, Schuldgefühle und depressive Stimmungen werden stärker. Das Kind gerät in einen Leistungsrückstand, obwohl die Bereitschaft zum Lernen der Schulphobiker meist sehr hoch ist. Ihre Intelligenz liegt im durchschnittlichen, häufig sogar überdurchschnittlichen Bereich. 

Schulverweigerung geht auf Leistungsversagen oder vermeintliche Kränkung in der Schule zurück, also auf reale Befürchtungen der Kinder oder Jugendlichen, wie z.B. Angst vor Schulsituationen, Prüfungen, schulischer Überforderung oder Mobbing verbunden.

Die Schulunlust kann vieles bedeuten: dahinter kann sich eine Leistungsproblematik verbergen, aber auch ein geringes Selbstwertgefühl oder Selbstbewusstsein oder Konflikte in Verbindung mit der Schule.

Auftragsklärung mit Kindern und Jugendlichen

Zirkuläre Fragen helfen in der Auftragsklärung:

  • „Was meinst du, wo sehen deine Eltern/Schule das Problem? Was meinst du dazu?“
  • „Was denkst du, würde deine Mama/deine Lehrerin sagen, wenn ich Sie fragen würde… (wie es in der Schule/mit den Hausaufgaben läuft?)
  • Der Berater macht dem Kind/Jugendlichen ein  Angebot: „Ich möchte dir gerne helfen, dass deine Eltern/Lehrerin das nicht mehr von dir denkt. Wie könnte ich dir helfen?“
  • Ziel / Gewinn-Formulierung: „Was wäre denn daran gut, wenn deine Eltern/Lehrerin nicht mehr denken würden…? Vielleicht kann ich dir dabei helfen?“
  • „Was brauchst du, damit du gut Hausaufgaben machen kannst?“
  • Übermotivierte Kinder schreiben sich die Fehler zu („ich muss noch mehr tun…“, Versagensängste)
  • Untermotivierte Kinder brauchen Anschub

Lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern

Frage nach Ausnahmen
Häufig spüren Kinder in sich hinein und bemerken ein Gefühl, das sie daran hindert, in die Schule zu gehen. Mit diesem kann auch wieder gearbeitet werden…

  • „Wann gelingt es dir in die Schule zu gehen?“ 
  • „Was ist dann anders?“ 

Vorhersagenkalender
Wenn es hin und wieder gelingt zur Schule zu gehen, empfiehlt sich der Vorhersagenkalender. Der Kalender ist umso wichtiger im Zusammenhang mit der Schulphobie, da das Gefühl der Machtlosigkeit bei allen Beteiligten oft dominiert. Die Vorhersage kann ein wenig Kontrollgewinn zurückbringen.

  • „Was denkst du, wie es morgen sein wird?“ 
  • „Glaubst du, dass du es schaffen wirst zur Schule zu gehen?“ 

Zirkuläres Fragen 
Diese Fragen können auch diagnostisch sehr wertvoll sein, man erfährt vom Kontext der Schulunlust.

  • „Wenn du Lehrer wärst und du hättest einen Schüler, der keine Lust auf die Schule hat, was würdest du tun?“ 
  • „Wenn dein Lehrer hier sitzen würde, was würde er mir erzählen, was der Klasse fehlt, wenn du nicht da wärst?“ 

Verankern von Mut 
Das verankern von Mut (oder Selbstvertrauen) lässt sich besonders gut mit einem Glücksbringer oder Mut-Stein bewerkstelligen. Dieser wird dem Betroffenen feierlich überreicht und soll einen festen Platz erhalten, an dem er leicht wiedergefunden wird, damit er bei Bedarf gleich in die Hand genommen werden kann und an das Gespräch dazu erinnert.

(Kontext-)Fragen 
Sich eine genaue Schilderung der Abläufe geben lassen. Der „Tanz der Familie“ ist oft sehr beeindruckend und wird der Familie erst durch die Frage erst bewusst.

  • „Wer macht was wann und warum…?“ 
  • „Was machen die Eltern, was die Geschwister…?“ 

Das Los entscheiden lassen 
Für Kinder ist es eine Entlastung, nicht mehr selbst entscheiden zu müssen. Es sollte allerdings auf jeden Fall eine Steigerung eingebaut sein: Die Münze hat nur zwei Seiten, der Würfel aber sechs!  Zum Schluss muss das Kind lediglich bei einer Zahl zuhause bleiben. Bei den fünf anderen „darf“ er zur Schule gehen!

Als weiterführende Literatur empfehlen wir: Therese Steiner, Insoo Kim Berg: Handbuch Lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern. Carl Auer Verlag. 2005.


Bildquellen
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